In jeder Epoche, auf jedem Kontinent und in sämtlichen Kulturen nehmen die Menschen die Welt um sich herum auf ihre eigene Art und Weise wahr. Eine Gemeinsamkeit verbindet sie jedoch: der nächtliche Blick zum Himmel. Doch jede Kultur interpretiert ihren Sternenhimmel auf ihre ganz eigene Weise. Diese himmlischen Bilder dienen als Quelle für ihre mündlichen Traditionen, spiegeln ihre Lebensrealitäten wieder und erzählen Geschichten – von der Schöpfung der Welt und der Menschheit, ihren Abenteuern bei der Jagd und der Ernte, sowie ihren Kämpfen und Leidenschaften.
Von Mythen und Astronomie
Beim Hanser Verlag ist nun ein bemerkenswertes Werk von Raoul Schrott veröffentlicht worden. Der Autor Raoul Schrott zeigt ein starkes Interesse an Mythen und der Archäologie. Nun hat er ein umfangreiches Buch über Astronomie herausgebracht. Es umfasst stolze 1280 Seiten und präsentiert mehr als 500 bislang unbekannte Sternbilder von allen Kontinenten, illustriert von Heidi Sorg, und zusätzlich werden 8 großformatige Karten auf Postern mitgeliefert. Ein kurzes Interview, in dem die Beweggründe für dieses Buch erläutert werden, finden Sie auf der Verlagsseite: hanser-literaturverlage.de
Der Sternenhimmel der Eskimos
Eskimo ist die Sammelbezeichnung für indigene Völker im nördlichen Polargebiet, deren Siedlungsgebiet sich vom Nordosten Sibiriens über die Beringstraße und die arktischen Regionen Alaskas und Kanadas bis nach Grönland erstreckt. Diese Völker stellen in der Arktis Nordamerikas die ursprüngliche Bevölkerung dar, die sich von den Indianerstämmen des restlichen Kontinents unterscheidet. Die beiden wesentlichen Gruppen sind die Inuit (östliche Eskimos), die im Norden Kanadas und auf Grönland leben, sowie die Yupik (westliche Eskimos), die auf der russischen Tschuktschen-Halbinsel und in Alaska anzutreffen sind.

Originaltext aus dem Buch:
“… Die Sterne erlauben, wie die Zyklen von Sonne und Mond, eine von vier Unterteilungsmöglichkeiten eines Jahres; die anderen drei werden von der Migration der Tiere und Orientierungspunkten im Leben eines Menschen, seiner Familie und der Gemeinschaft bestimmt, die sich allesamt der mythischen Zeit vom Anbeginn allen Lebens her einschreiben. Einen von den jeweiligen Bezugspunkten abstrahierten Begriff von Zeit an sich gibt es jedoch in der Sprache der Eskimo nicht. Der gebräuchliche Kalender gibt eine ökologische Zeit wieder, indem die wechselnden Jahreszeiten – die Rückkehr der Sonne, das Nisten der Vögel, das Aufbrechen des Meereises usw. – die täglichen Aktivitäten, das Nahrungsangebot und den Wohnort bestimmen. Bis in die moderne Zeit hinein wurde er in 13 Mondmonate unterteilt. Die Synchronisation mit dem Sonnenjahr geschah auf dieselbe Weise wie bei den alten Römern: indem man jene Tage, in denen es kaum etwas zu tun gab, flexibel zählte. Das unternahm man im ersten und zweiten Wintermonat, die gleich dunkel, kalt und für die Jagd schwierig waren: In diesen 45, auch Tauvikjuaq, ‘Grosse Dunkelheit’, genannten sonnenlosen Tagen des Mittwinters wurde eine Lunation dann nicht gezählt. Die Zeit kam währenddessen, wie die Natur auch, gleichsam zum Stillstand: sodass der Kalender wieder mit dem ersten Neumond des Jahres beginnen konnte – Siqinnaarut, dem Mond der wiederkehrenden Sonne…”

Foto: © Carl Hanser Verlag
Wenn Ihr Interesse geweckt ist, hier noch ein paar interessante Links:
- 5 Fragen an … Raoul Schrott
- sternenhimmel-der-menschheit.de/erkunden: Die Stiftung Kunst und Natur entwickelt ein mehrjähriges Programm aus lokalen und internationalen Veranstaltungen, Ausstellungen, Medienprojekten und Kooperationen.
- Mittlerweile existiert eine große Auswahl an Apps, die sowohl Amateuren als auch Fachleuten hilfreich zur Seite stehen. Einige von ihnen zeigen auch Satelliten an!
Buchtipp:
Atlas der Sternenhimmel und Schöpfungsmythen der Menschheit
Ein einzigartiges Buchprojekt: Raoul Schrotts großer Atlas der Sternenhimmel ermöglicht einen vollkommen neuen Blick auf die Menschheit und ihre weit zurückreichende Geschichte. Mit ihrer ungeheuren Einbildungskraft haben die Menschen in den Sternen ihre ältesten Kunstwerke geschaffen und dadurch ihre Kulturen dargestellt. Dieser Atlas versammelt 17 Sternenhimmel von allen Kontinenten: von den Alten Ägyptern bis zu den australischen Aborigines, aus China, Indien und Tahiti, von den Inuit, Buschleuten und den Tuareg. Unser Großer Wagen war für die Maya ein göttlicher Papagei, für die Inka der einbeinige Gott des Gewitters, für die Inuit ein Elch, für die Araber eine Totenbahre. Raoul Schrott fügt diese Sternsagen zu einem einzigartigen Epos der Menschheitsgeschichte.
„In einer Zeit vor der Schrift war unser Sternenhimmel ein Kino der Nacht.“ Raoul Schrott
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, ISBN: 978-3446281226, 178,- Euro
