Unser Sternenhimmel: Ein magisches Kino der Nacht

Sternenhimmel über einen Wald
Foto: © Wil Stewart, unsplash

In jeder Epoche, auf jedem Kontinent und in sämtlichen Kulturen nehmen die Menschen die Welt um sich herum auf ihre eigene Art und Weise wahr. Eine Gemeinsamkeit verbindet sie jedoch: der nächtliche Blick zum Himmel. Doch jede Kultur interpretiert ihren Sternenhimmel auf ihre ganz eigene Weise. Diese himmlischen Bilder dienen als Quelle für ihre mündlichen Traditionen, spiegeln ihre Lebensrealitäten wieder und erzählen Geschichten – von der Schöpfung der Welt und der Menschheit, ihren Abenteuern bei der Jagd und der Ernte, sowie ihren Kämpfen und Leidenschaften.

Von Mythen und Astronomie

Beim Hanser Verlag ist nun ein bemerkenswertes Werk von Raoul Schrott veröffentlicht worden. Der Autor Raoul Schrott zeigt ein starkes Interesse an Mythen und der Archäologie. Nun hat er ein umfangreiches Buch über Astronomie herausgebracht. Es umfasst stolze 1280 Seiten und präsentiert mehr als 500 bislang unbekannte Sternbilder von allen Kontinenten, illustriert von Heidi Sorg, und zusätzlich werden 8 großformatige Karten auf Postern mitgeliefert. Ein kurzes Interview, in dem die Beweggründe für dieses Buch erläutert werden, finden Sie auf der Verlagsseite: hanser-literaturverlage.de

„In den Sternbildern kommt derart viel poetische Kraft und Phantasie zum Vorschein, dass einem dies fast wieder den Glauben an das Schöne und Gute des Menschen zurückgibt.“

Der Sternenhimmel der Eskimos

Eskimo ist die Sammelbezeichnung für indigene Völker im nördlichen Polargebiet, deren Siedlungsgebiet sich vom Nordosten Sibiriens über die Beringstraße und die arktischen Regionen Alaskas und Kanadas bis nach Grönland erstreckt. Diese Völker stellen in der Arktis Nordamerikas die ursprüngliche Bevölkerung dar, die sich von den Indianerstämmen des restlichen Kontinents unterscheidet. Die beiden wesentlichen Gruppen sind die Inuit (östliche Eskimos), die im Norden Kanadas und auf Grönland leben, sowie die Yupik (westliche Eskimos), die auf der russischen Tschuktschen-Halbinsel und in Alaska anzutreffen sind.

Sternenhimmel der Eskimos
Der Sternenhimmel der Eskimos/Inuit, Foto: © Carl Hanser Verlag

Originaltext aus dem Buch:
“… Die Sterne erlauben, wie die Zyklen von Sonne und Mond, eine von vier Unterteilungsmöglichkeiten eines Jahres; die anderen drei werden von der Migration der Tiere und Orientierungspunkten im Leben eines Menschen, seiner Familie und der Gemeinschaft bestimmt, die sich allesamt der mythischen Zeit vom Anbeginn allen Lebens her einschreiben. Einen von den jeweiligen Bezugspunkten abstrahierten Begriff von Zeit an sich gibt es jedoch in der Sprache der Eskimo nicht. Der gebräuchliche Kalender gibt eine ökologische Zeit wieder, indem die wechselnden Jahreszeiten – die Rückkehr der Sonne, das Nisten der Vögel, das Aufbrechen des Meereises usw. – die täglichen Aktivitäten, das Nahrungsangebot und den Wohnort bestimmen. Bis in die moderne Zeit hinein wurde er in 13 Mondmonate unterteilt. Die Synchronisation mit dem Sonnenjahr geschah auf dieselbe Weise wie bei den alten Römern: indem man jene Tage, in denen es kaum etwas zu tun gab, flexibel zählte. Das unternahm man im ersten und zweiten Wintermonat, die gleich dunkel, kalt und für die Jagd schwierig waren: In diesen 45, auch Tauvikjuaq, ‘Grosse Dunkelheit’, genannten sonnenlosen Tagen des Mittwinters wurde eine Lunation dann nicht gezählt. Die Zeit kam währenddessen, wie die Natur auch, gleichsam zum Stillstand: sodass der Kalender wieder mit dem ersten Neumond des Jahres beginnen konnte – Siqinnaarut, dem Mond der wiederkehrenden Sonne…”

Sternbild Renntier
α Ursae Minoris: TUKTURJUK – DAS RENTIER,
Foto: © Carl Hanser Verlag
In der geographischen Breite von Iglulik ist das Sternbild Ursa Maior zirkumpolar. Es wird zur Bestimmung der Zeit genutzt: Im Vergleich zu seiner Position am Abend befindet es sich “in der Morgendämmerung dann am Kopf”. Dialektale Bezeichnungen sind: Tu(n)toyuk, Tuktuotuin, Tunturyuk, Tuktuyuin, Tuktusuit, Tuktuhuit und Tukto. Abgesehen von Ostgrönland werden die Sterne von Ursa Maior überall mit Karibus assoziiert. Allerdings gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob es sich um ein einzelnes Rentier handelt – wie beispielsweise einen Rentierbullen auf Holman Island im Coronation Gulf, genannt Panngnirjuit – oder um eine ganze Herde. 

Wenn Ihr Interesse geweckt ist, hier noch ein paar interessante Links:

  • 5 Fragen an … Raoul Schrott
  • sternenhimmel-der-menschheit.de/erkunden: Die Stiftung Kunst und Natur entwickelt ein mehrjähriges Programm aus lokalen und internationalen Veranstaltungen, Ausstellungen, Medienprojekten und Kooperationen.
  • Mittlerweile existiert eine große Auswahl an Apps, die sowohl Amateuren als auch Fachleuten hilfreich zur Seite stehen. Einige von ihnen zeigen auch Satelliten an!
Buchtipp:

 

Atlas der Sternenhimmel und Schöpfungsmythen der Menschheit

 

Ein einzigartiges Buchprojekt: Raoul Schrotts großer Atlas der Sternenhimmel ermöglicht einen vollkommen neuen Blick auf die Menschheit und ihre weit zurückreichende Geschichte. Mit ihrer ungeheuren Einbildungskraft haben die Menschen in den Sternen ihre ältesten Kunstwerke geschaffen und dadurch ihre Kulturen dargestellt. Dieser Atlas versammelt 17 Sternenhimmel von allen Kontinenten: von den Alten Ägyptern bis zu den australischen Aborigines, aus China, Indien und Tahiti, von den Inuit, Buschleuten und den Tuareg. Unser Großer Wagen war für die Maya ein göttlicher Papagei, für die Inka der einbeinige Gott des Gewitters, für die Inuit ein Elch, für die Araber eine Totenbahre. Raoul Schrott fügt diese Sternsagen zu einem einzigartigen Epos der Menschheitsgeschichte.
„In einer Zeit vor der Schrift war unser Sternenhimmel ein Kino der Nacht.“ Raoul Schrott

Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, ISBN: 978-3446281226, 178,- Euro

Buchtcover von "Atlas der Sternenhimmel und Schöpfungsmythen der Menschheit"

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