Reisen zum Impressionismus von Giverny bis Venedig
Der Bildband bietet einen faszinierenden Vergleich zwischen Fotografien und Gemälden und verdeutlicht gleichzeitig die genauen Standorte dieser Orte, sodass eine Reise dorthin möglich ist. Der Fotograf Christoph Irrgang begab sich auf eine Reise zu den Schauplätzen in Nordfrankreich, England und Italien, um die Inspirationsquellen der bedeutenden Impressionisten aus der heutigen Sicht festzuhalten. Er zeigt auf, wie die historischen Orte der großen Künstler in der Gegenwart wirken. Darüber hinaus hat die Kunsthistorikerin Miriam Leimer die 33 Bildpaare eingehend analysiert und Christoph Irrgang zu seinen Erfahrungen während der Recherche befragt.
Les Petites-Dalles - 49° 49'27.4″N 0°31'14.3"E
Les Petites-Dalles ist ein kleiner Ort am Ärmelkanal in der Normandie, gelegen zwischen Dieppe und Fécamp. Ähnlich wie Berneval, Pourville und Etretat befindet sich dieser Weiler an der 120 Kilometer langen Alabasterküste, die ihren Namen den steilen Kreidefelsen verdankt. Heute ist Les Petites-Dalles ein Teil der Gemeinde Sassetot-le-Mauconduit. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der einstige Fischerort zu einem beliebten Ziel für den Badeurlaub. Es entstanden ein Kasino sowie zahlreiche prächtige Villen. Zu den prominenten Gästen des Seebades zählten unter anderem Kaiserin Elisabeth von Österreich, der französische Autor Jules Verne und die bekannte Schauspielerin Sarah Bernhardt. Auch bei Künstlerinnen und Künstlern erfreute sich Les Petites-Dalles großer Beliebtheit. In den 1870er Jahren besuchten der französische Maler Paul Valantin und Berthe Morisot den Ort; in den 1880er Jahren folgte Claude Monet.
Venedig - Palazzo Cavalli-Franchetti - 45°25'54.1"N 12°19'46.0"E
Originaltext aus dem Buch:
„Neben dem Dogenpalast (Abb. S. 143) widmete sich Monet in Venedig auch den prunkvollen Palazzi entlang des Canal Grande. Am Südufer des Hauptkanals, in unmittelbarer Nähe zur Ponte dell’Accademia, befindet sich der Palazzo Contarini, dessen Fassade im Stil der Frührenaissance Monet zweimal malte.
Der Palazzo Contarini entstand vom Palazzo Barbaro am gegenüberliegenden Ufer aus. Hier verbrachte Monet die ersten Wochen seines Aufenthalts.
Auffällig an der Komposition erscheint die Wahl des Bildausschnitts, die in ihrer Nahsicht an seine Serie der Kathedrale von Rouen erinnert. Monet gab nur die ersten beiden Geschosse des dreistöckigen Gebäudes wieder. Auf die Darstellung des Himmels verzichtete er gänzlich; das Sonnenlicht ist lediglich in den Reflexen auf dem Wasser und den wenigen Hochlichtern der Fassade zu erahnen. Stattdessen räumte Monet der Darstellung des Kanals die gesamte untere Bildhälfte ein. Die dunklen Blau-, Grün- und Violetttöne verleihen dem Bild eine melancholische Stimmung, die der Vorstellung von der Vergänglichkeit der auf Holzpfählen errichteten Lagunenstadt entspricht.
1908 setzten bei Monet erste Sehbeschwerden ein. Dennoch ist die Wiedergabe der Fassade erstaunlich genau, wie der Vergleich mit der Photographie zeigt. Gerade die Balustrade im Piano nobile und die zwischen die Fenster gesetzten Tondi bezeugen seine detaillierte Auseinandersetzung mit der Architektur. Monet hatte mit der Arbeit direkt vor dem Motiv begonnen. Zurück in Giverny überarbeitete er das Gemälde allerdings sorgfältig. Womöglich nutzte er dabei neben der eigenen Erinnerung auch photographische Vorlagen als Gedächtnisstützen. Die Photographie entstand vom Palazzo Franchetti aus, der direkt neben dem Palazzo Barbaro liegt.“
Öl auf Leinwand
73 x 92 cm
Wildenstein 1766
Sammlung Hasso Plattner
Buchtipp:
Wo Monet und Renoir malten
Geleitet von den Wechselwirkungen des Lichts und der Atmosphäre schufen die Impressionisten zeitlos schöne Gemälde, deren Neuerungsgeist und Energie bis heute begeistert. Von 2016 an bereiste der Fotograf Christoph Irrgang die Gegenden, an denen Großmeister wie Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley oder Paul Signac gemalt haben. Er recherchierte und fotografierte die Entstehungsorte zahlreicher Werke aus der Perspektive der Maler. Die Gegenüberstellung der Gemälde mit den Bildern heute zeigen Industrialisierung, Modernisierung und Stadtentwicklung der letzten 150 Jahre, aber auch erstaunliche Übereinstimmungen. Diese Spurensuche an den Orten des Impressionismus ist ebenso faszinierend wie aufschlussreich und eröffnet ganz neue Blicke auf eine große Epoche der Kunst.
Verlag Prestel, ISBN: 978-3-7913-7958-6, 34,00 Euro