Volkskrankheit Rücken: Was Sie dagegen tun können und wer Ihnen effektiv hilft

Rückenschmerzen gelten mittlerweile als Volkskrankheit. Fast jeder Mensch kommt mit ihnen in Berührung, sei es in Form von akuten Symptomen oder im Alter als ständige Schmerzen. Die hauptsächliche Ursache ist die Bewegungsarmut in unserer Gesellschaft. Entweder sitzen wir den ganzen Tag oder sind in immer wiederkehrenden, monotonen Bewegungen gefangen. Mit der Freude an Bewegung, die wir in Kindertagen empfanden, hat das nichts mehr zu tun.

Der Bewegungsmangel gilt als eine der grundlegendsten Ursachen für Rückenschmerzen. Aber auch sportlich aktive Menschen können plötzlich, etwa durch einen Bandscheibenvorfall, starke, stechende oder lähmende Schmerzen im Rücken bekommen. Tatsache ist: Die meisten Menschen werden sich ihrer Wirbelsäule als Zentrum aller Bewegungen erst dann bewusst, wenn sie schmerzt. Als zentrales Element des Bewegungsapparates integriert die Wirbelsäule alle Bewegungsvorgänge des menschlichen Körpers. Das Rückenmark beinhaltet als Teil des zentralen Nervensystems alle Nerven, die vom Gehirn in den Körper verlaufen. Eine überwiegend sitzende Tätigkeit sorgt für Verspannungen, eine Überlastung der Rückenmuskulatur und Verformungen der Wirbelsäule. Rückenverletzungen, Bandscheibenvorfälle oder ein Hexenschuss lassen sehr konkret erkennen, woher der Schmerz im Rücken kommt. Arthrose und Osteoporose sind dagegen Ursachen, die erst nach einer ausführlichen Untersuchung entdeckt werden können. Nierenbeckenentzündungen oder Harnsteine erzeugen einen Schmerz im Lendenwirbelsäulenbereich, der auch nicht sofort mit Rückenproblemen assoziiert wird. Bei vielen Patienten finden sich nicht nur körperliche, sondern vermehrt auch seelische Ursachen: Wer regelmäßig gestresst ist, immer erreichbar sein muss und unter hoher psychischer Anspannung arbeitet, leidet besonders oft unter Rückenschmerzen. Das heißt, wir haben hier einen Schmerz mit vielen Symptomen und noch mehr möglichen Ursachen. Daher ist zuerst der Gang zum Allgemeinmediziner angebracht, der die wirklichen Ursachen abklären muss. Je nach der Ursache kann es der ­Orthopäde, Neurologe, Chiropraktiker oder der Internist sein. Oft haben ­Rückenschmerzen verschiedene Ursachen, weshalb im Bedarfsfall mehrere Spezialisten gemeinsam einen Therapieplan festlegen?

Spezifischer oder unspezifischer Schmerz?

Ihr Hausarzt unterscheidet in spezifischen und unspezifischen Rückenschmerz. Spezifische Schmerzen haben eine eindeutige Ursache, beispielsweise einen Bandscheibenvorfall oder einen Sturz. In den meisten Fällen kommen Menschen jedoch mit unspezifischen Rückenschmerzen zum Arzt. Auf den ersten Blick ist nicht zu sehen, was diese Schmerzen ausgelöst hat. Eintönige Bewegungen sorgen für Verspannungen, bei denen die Muskeln verhärten. Überbelastung kann die Muskelfasern beschädigen. Giftstoffe in der Blutbahn können in die Muskelzellen gelangen und diese schädigen. Der Hausarzt führt bei akuten und leichteren Rückenschmerzen eine Erstuntersuchung (inklusive Befragung zur Krankengeschichte) durch. Im Anschluss an die Diagnose genügt häufig bereits eine Wärmetherapie (beispielsweise mit Wärmelampen, -pflastern) oder die Einnahme leichter Schmerzmittel, um den Beschwerden entgegenzuwirken. Liegen den Schmerzen allerdings schwerwiegendere Ursachen, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall, ein Sport-, Verkehrs- oder Haushaltsunfall zugrunde, erfolgt die entsprechende Überweisung an einen Facharzt. Jene Experten verfügen mitunter über genauere Untersuchungsmöglichkeiten wie Röntgen oder Kernspintomografie (bildgebendes Verfahren). Gibt es hingegen keine Anzeichen für schwere Folgen aufgrund der Symptome, empfehlen Allgemeinärzte häufig auch die Behandlung durch Osteopathen, Chiropraktiker oder Physiotherapeuten. Auch Übergewicht, Stress oder psychische Probleme können letztlich zu Rückenschmerzen führen. In diesem Fall kann zu einer symptomatischen Therapie auch eine Psychotherapie oder der Besuch bei einem Ernährungsberater hinzukommen.

Vom Allgemeinmediziner zum Facharzt

Wenn der Allgemeinmediziner an die Grenzen seiner Behandlungsmöglichkeiten stößt oder er die genaue Ursache der Rückenschmerzen nicht eindeutig feststellen kann, treten Fachärzte auf den Plan:

Orthopäde

Orthopäden verfügen in der Regel über viel Erfahrung in der Behandlung von in das Bein ausstrahlenden Schmerzen (Ischiasschmerzen) oder Schmerzen des Iliosakralgelenks (ISG-Schmerzen). Viele Orthopäden sind auch in manueller Medizin geschult und können so eine zusätzliche Behandlungsmethode anbieten. Was genau Orthopäden allerdings bei Rückenschmerzen zur Behandlung unternehmen, ist je nach Befund und Qualifikationen des einzelnen Arztes sehr verschieden. Das Spektrum reicht von Spritzen über Akupunktur bis hin zu Operationen und hängt  sehr vom Repertoire des Arztes und den Begebenheiten des Patienten ab. Sind die Beschwerden durch eine Einengung des Rückenmarkskanals oder Druck auf eine Nervenwurzel wie durch einen Bandscheibenvorfall bedingt, werden sie häufig auch von Neurochirurgen behandelt.

Neurologe

Er ist der Facharzt für spezifische behandlungs­bedürftige Ursachen am Nervensystem (Nervenschädigungen). Dazu zählen Einengungen des Rückenmarkskanals, Gürtelrose, Ischias oder mechanischer Druck auf eine Nervenwurzel, der durch einen Bandscheibenvorfall hervorgerufen wurde. Knochentumore, durch Entzündungsprozesse hervorgerufene Veränderungen an der Wirbelsäule oder degenerative Erscheinungen ­können ebenfalls auf die entsprechenden Nerven wirken und damit Rückenschmerzen verursachen. Mithilfe neurologischer Untersuchungen lässt sich feststellen, ob Nervenwurzeln am Schmerzprozess beteiligt sind oder nicht. Operationen werden wenn möglich vermieden, um die Entstehung von Narbengewebe und damit verbundene neue Schmerzzustände zu vermeiden. Während sich die schul­medizinische Behandlung von Nervenschmerzen vorrangig auf die Muskelentkrampfung oder die Linderung der Schmerzsymptome konzentriert, kann auch die Homöopathie ihren Beitrag leisten.

Rheumatologie

Wenn Ihr Hausarzt eine Autoimmunerkrankung oder beispielsweise Morbus Bechterew (chronisch entzündliche Rückenschmerzen) diagnostiziert, wird er Sie zu einem Rheumatologen überweisen. Rheumatologen sind in der Regel Fachärzte wie Internisten oder Orthopäden, die über eine Zusatzqualifikation verfügen. Arthrosen, entzündliche rheumatische Erkrankungen oder Osteoporose können Ursache von rheumatischen Rückenschmerzen sein. Im Verlauf dieser Erkrankungen kommt es in den meisten Fällen zu deutlichen Veränderungen der Wirbelsäule. Gerade bei älteren Menschen kann Osteoporose und der damit verbundene Abbau der Knochenmasse die Ursache eines schmerzenden Rückens sein. Beim Morbus Bechterew beginnt der Entzündungsprozess am unteren Ende der Wirbelsäule und kann zu einer kompletten Versteifung führen, sodass der Patient nicht mehr laufen kann. Durch Blutuntersuchungen kann auf entzündliche Prozesse geschlossen werden, die die Rückenschmerzen verursachen.

Klassische und alternative Behandlungsformen

Wer mit Rückenschmerzen zum Arzt geht, bekommt je nach Art der Beschwerden auf Rezept verschiedene Leistungen verschrieben. Trotz vieler Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die Angebote vieler Kassen, was die Kostenübernahme angeht. Genaues Nachfragen lohnt sich. So zahlt die Techniker Krankenkasse beispielsweise eine osteopathische Behandlung.

Krankengymnastik/Physiotherapie

Der Physiotherapeut stellt für den Patienten ein Übungsprogramm zusammen und zeigt ihm, worauf er bei der Durchführung achten muss. Gymnastik an Geräten (Krafttraining) kann nur vor Ort stattfinden. Übungen ohne Geräte sollen aber auch täglich zu Hause gemacht werden. Oft findet begleitend eine Thermotherapie statt. Während die Kälte vor allem entzündliche oder verletzungsbedingte Schmerzen lindert, wird Wärme bei Hexenschuss, Arthrosen oder Muskelverspannungen oft als wohltuend empfunden.

Manuelle Therapie/Chiropraktik

Hier versucht der Physiotherapeut, durch Mobilisation oder Manipulation an Muskeln, Gelenken und Bindegewebe Funktionsstörungen mithilfe von Druck, Zug und Gegenzug, Dehnung und Entspannung zu beseitigen. Die Therapie sollte nur durch ausgebildete Mediziner oder geschulte Krankengymnasten durchgeführt werden.
Massage Kneten, Drücken, Reiben, Streichen – all diese Bewegungen dienen der Lockerung der Muskulatur, insbesondere im Rücken und Nacken. Massagen können dazu beitragen, die Durchblutung zu verbessern, Stoffwechselvorgänge zu aktivieren, Verhärtungen zu lösen – und dadurch den Heilungsprozess zu fördern. Zur Vertiefung der Entspannung kann vor oder nach der Behandlung eine warme Moorpackung (Fango) aufgelegt werden.

Elektrotherapie

Hier werden bestimmte Muskelgruppen mit Strom gereizt, um die Durchblutung oder Kräftigung an bestimmten Stellen zu fördern, Schmerzen zu lindern oder Entzündungen zu behandeln.Bewegungstherapie Schulter-, Brust-, Hals-, Rumpf-, Becken- und Beinmuskulatur beeinflussen sich gegenseitig – eine Störung in einem Bereich hat Folgen für die anderen Muskelgruppen. So nützen beispielsweise starke Bauchmuskeln direkt dem Rücken, denn die Bauchmuskeln halten das Rückgrat von vorne fest. Bei einer geschwächten Bauchmuskulatur hängt die Wirbelsäule durch, das Becken kippt nach vorne. Bewegungstherapie setzt auf die Stärkung der Muskulatur.

Manuelle Behandlungsmethoden

Osteopathie

Die Osteopathie geht davon aus, dass Schmerzen aus Gewebespannungen unterschiedlicher Strukturen im Körper entstehen und miteinander in Beziehung stehen. Verantwortlich dafür sind die sogenannten Faszien, bei denen es sich um dünne Bindegewebsschichten handelt, die die Muskeln umhüllen. Osteopathen gehen davon aus, dass alle Bereiche des Körpers durch die Faszien miteinander korrespondieren und daher Blockaden und Muskelverspannungen übertragen können. Damit behandelt die Osteopathie den Menschen aus ganzheitlicher Sicht und orientiert sich nicht nur an den einzelnen Symptomen.
Chirotherapie Mithilfe von Handgriffen versetzt der Chiropraktiker einen Körperbereich in Spannung und behebt dann – meist ruckartig – Wirbelgelenksstörungen. Man muss vertrauen können, während der Behandler tastet, dreht, drückt, schiebt und ruckartig anzieht. Häufig knackt es dabei. Wer das nicht mag, ist beim Dorn-Therapeuten besser aufgehoben.

Dorn

Als Erstes überprüft der Dorn-Therapeut die Beinlängen und „kürzt“, wenn nötig, das längere Bein. Mit kräftigem Druck der Daumen werden verschobene Wirbel (ohne Knacken) sanft wieder in Position gebracht, während der Patient eine Pendel­bewegung mit Arm oder Bein macht. Man sollte kurzen, kräftigen, punktuellen Druck aushalten können.
Akupunktur Sie ist eine äußerst wichtige und hilfreiche Maßnahme bei Rückenschmerzen und führt oft zu großem Erfolg. Das Setzen feinster Nadeln löst Energieblockaden. Gestochen werden nicht nur Punkte entlang der Meridiane, sondern auch die Stellen, wo der Schmerz sitzt. Es piekst, schmerzt, brennt, kribbelt und zieht – für Sensible sehr gewöhnungsbedürftig.

Sport für den Rücken

Schonung bei Rückenschmerzen war gestern. Heute weiß man, dass dies falsch ist. Bewegung ist wichtig, um muskuläre Probleme zu beheben, die die Ursache für Rückenbeschwerden sein können. Daher ist regelmäßiger Sport wichtig, der die Rückenmuskulatur trainiert und den Rücken stärkt. Rückenschwimmen, Wasser­gymnastik, Aquajogging, Nordic Walking und Yoga sind hier die beliebtesten Sportarten. Doch besonders gezielte Übungen daheim oder in einem guten Fitnessstudio sind unbedingt empfehlenswert. Schulterkreisen, Brustdehner und Co. – mit einem speziellen Rückentraining wird die Muskulatur von ­Rücken, Nacken und Schulter gezielt gekräftigt und gedehnt. So können bestehende Schmerzen gelindert und so kann der Entwicklung ­neuer Rücken­schmerzen vorgebeugt werden. Am besten, Sie lassen sich zu Beginn die geeigneten Übungen bei Rückenschmerzen von einem Trainer zeigen – so lernen Sie die richtige Ausführung der Bewegungen. Dann können Sie die Übungen auch zu ­Hause durchführen, täglich zehn Minuten sind meist schon ein guter Anfang! Patienten, die versuchen, den Schmerz zu überspielen und zu bagatellisieren, haben ein hohes Chronifizierungsrisiko, da sie die Grenzen ihrer Belastbarkeit oft überschreiten. Durch geeignete Maßnahmen wie eine medikamentöse Schmerzbehandlung, Physio- oder Verhaltenstherapie lässt sich die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses jedoch verhindern. Um chronischen Rückenschmerzen vorzubeugen, müssen akute Beschwerden rechtzeitig und effektiv behandelt werden. Die Diagnose und Therapie akuter Rückenschmerzen sollte daher grundsätzlich so früh wie möglich einsetzen. Rückenschmerzen sind ein Alarmzeichen und oft genug ein wichtiger Hinweis auf ein Übermaß an Stress und einen Mangel an Bewegung. Gezieltes Kraft- und Aufbautraining sowie regelmäßiger, sanfter Ausdauersport tun nicht nur dem Rücken gut, sondern auch dem Herz-Kreislauf-System, dem Rest des Körpers und der Seele.

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