Berg am Laim hat eine lange Geschichte. Bereits 812 wird Perke (altdeutsch Berg) am Laim erstmals urkundlich erwähnt. Der Name leitet sich von der „Lehm-Zunge“ ab, die sich von Ismaning bis Berg am Laim zog und dessen Bewohnerinnen und Bewohnern Wohlstand brachte. In der ganzen Münchner Region, insbesondere aber hier im Osten, hatten Ziegeleien eine große Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. In zahlreichen Gebäuden in München findet sich Baumaterial aus Berg am Laim: So stammt beispielsweise ein großer Teil des Lehms, der für den Bau der Frauenkirche verwendet wurde, aus den Abbaugebieten. Auch im Fundament des Maximilianeums kamen Ziegel aus Berg am Laim zum Einsatz. Im Jahr 1913 wurde Berg am Laim dann in die Stadt München eingemeindet. Heute leben hier etwa 43 000 Menschen, die von einer tollen Verkehrsanbindung in die Stadt profitieren. Berg am Laim ist ein Stadtteil, der sich in den letzten Jahren enorm gewandelt hat, der sehr divers, international und künstlerisch ist. Wir nehmen Sie mit auf einen Spaziergang, um unser Nachbarviertel besser kennenzulernen und um zu zeigen, welch spannende und kontrastreiche Ecken Berg am Laim zu bieten hat.
Wir starten unseren Spaziergang an der U2 Station Josephsburg. Von dort aus geht es die Else-Rosenfeld-Straße entlang bis zu einem kleinen Platz. Hier biegt man links in die St.-Michael-Straße ein. Diese führt zur ersten Station, der |1| St.-Michael-Kirche. Die katholische Michaelskirche ist einer der prächtigsten Münchner Sakralbauten, eine der bedeutendsten Rokoko-Kirchen in Deutschland – und steht schon wegen des architektonischen Kontrasts für den Weg Berg am Laims in die Moderne. Die Michaelskirche gilt als kunsthistorisches Herz des Viertels. Zur Hälfte wird sie eingerahmt vom Alten- und Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, einem U-förmigen Riegel, dessen Bau umstritten war, dessen Architekt für seine zurückhaltende Gestaltung aber 1981 eine Anerkennung mit dem Deutschen Architekturpreis erhielt. Die Schwestern sind 1832 von König Ludwig I. nach München gebeten worden, um die Krankenpflege zu verbessern. Seit 1840 sind sie in Berg am Laim präsent, seit 1996 betreuen sie hier auch Patienten, die keine Ordensangehörigen sind. Von dort aus ist der weitere Weg leicht zu finden. Über die Clemens-August-Straße und die Josephsburgstraße gelangt man auf die Baumkirchner Straße.
Wir machen halt im Herzen des Viertels auf dem |2| „Grünen Markt“, so mittlerweile der offizielle Name des zentralen Platzes, eingefasst von Kirche, Kindertagesstätte und dem Eingang zum Behrpark. An Freitagvormittagen erlebt man hier eine kunterbunte Vielfalt an Marktständen und geselliger Stimmung. Eine schöne Ecke, an der es auch noch einige inhabergeführte Läden mit einigem Genuss- und Shoppingpotenzial gibt. Seit fast 125 Jahren existiert hier beispielsweise die Bäckerei Aumüller an der Ecke Baumkirchner/Berg-am-Laim-Straße. 1896 wurde der Münchner Familienbetrieb in Berg am Laim gegründet und auch noch gegenwärtig werden von hier aus alle 13 Filialen verwaltet.
Wir verlassen nun das traditionelle „Stadtzentrum“ und folgen der Berg-am-Laim-Straße stadteinwärts bis zur |3| „Macherei“, dem neuen Büro- und Gewerbeareal mit sechs Gebäuden und knapp 75 000 Quadratmeter Fläche. Viele junge Firmen, unter anderem die skandinavisch gemütliche und nachhaltige Hotelleriekette „Scandic“ und die kulinarisch wertvolle |4| Cutlerei haben hier Einzug gehalten und bereichern den Stadtteil extrem positiv. Früher gehörte das Areal dem Pharmakonzern Temmler, der wie viele weitere ehemalige Industriestandorte in der Gegend zu finden war. Die Fassade der Macherei beschäftigt sich gekonnt mit der Geschichte des Standorts. Ziegel umhüllen alle sechs Gebäude, die meisten in Grau, doch an einigen Stellen, an denen die Fassade mit Vor- und Rücksprüngen gestaltet ist, leuchten die Ziegel in Gelb, Orange und Rot. Die galaktische Idee des Architekten: Es soll so aussehen, als wäre ein Meteorit in Berg am Laim niedergegangen und mit feuerroter Glut im Inneren auf dem Boden zerschellt. Auch wenn die Macherei keinen zusätzlichen Wohnraum geschaffen hat, ist das Areal für Anwohnerinnen und Anwohner dennoch erlebbar. Eine große Grünfläche eröffnet den zentralen Quartiersplatz, auf dem mit Foodtruck, Konzerten, Märkten & Co. in Zukunft viel Leben stattfindet.
Abreißen und neu bauen ist die eine Möglichkeit, erhalten und sanieren die andere. Diesen Weg haben die Macher unserer nächsten Anlaufstelle gewählt. Wir biegen nun rechts in die Weihenstephaner Straße ab und gehen dann gleich links bis zur Streitfeldstraße 33. Von außen wirkt der 70er-Jahre-Bau einer ehemaligen Kleiderfabrik schlicht und unscheinbar. Drinnen geht es allerdings bunt, kreativ und innovativ zu. Hier wohnen und arbeiten etwa 50 Künstlerinnen und Künstler. Die Streitfelder Genossenschaft Kunst Wohn Werke München EG verbindet Arbeiten und Wohnen, Alltagskultur und Kunst. Performances, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Feste und Kursangebote sorgen für einen lebendigen Austausch der Mitglieder untereinander und mit der Nachbarschaft. Durch die Gäste- und Förderateliers ergeben sich zudem spannende und nachhaltige Synergieeffekte. Gemeinsame Ausstellungen und die gemeinschaftliche Nutzung von Büroinfrastruktur, Werkzeugen, Maschinen und Fahrzeugen bietet viele Vorteile. Es lohnt sich definitiv, Ausstellungen und Aktionen des „Streitfelds“ im Auge zu behalten. Die Mitglieder leisten einen wundervollen Beitrag zur kulturellen Vielfalt in Berg am Laim.
Apropos kulturelle Vielfalt: Die führt uns großen Schrittes zu dem nächsten Punkt unseres Spaziergangs. Wir gehen die Streitfeldstraße weiter in Richtung Innenstadt, biegen links in den Thomannweg ein und dann nach rechts in die Berg-am-Laim-Straße. Diese laufen wir weiter in Richtung Innenstadt bis zum |5| Leuchtenbergring. Wir halten uns rechts, schärfen den Blick und ignorieren den Verkehrslärm. Und siehe da – seit 2020 ist die Wand auf der Ostseite nicht mehr grau, sondern bunt wie ein Regenbogen. Eine Künstlerin hat Farbtöpfe die Wände hinunter geschüttet. „Ein Viertel läuft über!“ lautet der Titel des Werks der Münchner Künstlerin Janine Mackenroth und markiert das lange Wandgemälde der Europäischen Union. Dahinter steckt die Initiative „Munich Art District“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Berg am Laim mit Street Art bunter zu machen. Unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministeriums verwandelt Munich Art District das Gebiet um die Neumarkter Straße und schafft so eine frei zugängliche Ausstellungsfläche im öffentlichen Raum.
Vor der Unterführung nutzen wir rechts die Treppe und gelangen auf die Neumarkter Straße, auf der es künstlerisch weitergeht. Auf der über hundert Meter langen Mauer ist von Graffiti bis Murals alles dabei. Weiter folgt ein Mega-Kunstwerk: Loomit hat der Fassade der Baustoff + Metall Handels-GmbH ein gigantisches Graffiti namens „senkrecht“ verpasst, es ist 14 Meter hoch und über 20 Meter lang. Ein paar Meter weiter, man muss genau schauen, weil Bäume und Sträucher davor sind, versteckt sich das Mural „The Painter“ vom Londoner Street-Artist Dave the Chimp mit seinen „Human Beans“ in leuchtenden Farben. Unweit davon sieht man bald das riesige „Hands“, das der Argentinier Alan Myers sehr passend für die Brotmanufaktur Schmid geschaffen hat. Riesenhände kneten Brotteig. In der Weihenstephaner Straße am Lidl-Gebäude entdeckt man die unglaublich realistischen Graffiti mit dem Namen „Die einfachen Dinge“ von Loomit & bert_mta. Milch, Käse, Honig, Alltagsessen, fast greifbar echt erscheinend. Danach kommt man zu „Fruits“ von Christian Hundertmark an der Kaufland-Fassade, die nun in kräftigen Farben strahlt.
Seit Mitte 2020 zirka gibt es diese Street Art. Fast ein ganzer Straßenzug auf einer Seite voll mit feinster, bunter Kunst! Man sieht: Street Art ist nicht immer nur vergänglich, oft kommt auch Neues hinzu. Von bemalten Fassaden bis zu Installationen auf Grünflächen – die Bandbreite der Arbeiten wächst weiter. Wir biegen von der Neumarkter Straße links in die Hermann-Weinhauser-Straße und geraten nach 34 Minuten in den 2019 eröffneten Landschaftspark Baumkirchen Mitte. Hinter dem Neubauviertel an der Baumkirchner Straße ist mit dem |6| „Gleispark Baumkirchen“ ein außergewöhnlicher neuer Park entstanden, der Vorbild für ganz München werden könnte. Auf dem Boden des 62 000 Quadratmeter großen Areals leben so streng geschützte Arten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke, die Blauflügelige Sandschrecke und die Zauneidechse. Eigentlich werden diese seltenen Tiere geschützt, indem man ihren Lebensraum zu Biotopen erklärt, zu denen der Mensch keinen Zutritt hat. Anders in Berg am Laim. Hier wird erstmals in München eine solche Fläche für die Bürger geöffnet und begehbar gemacht. Zum Wohle der Tiere führt ein auf alte Eisenbahnschwellen gesetzter Pfad durchs Gelände. Auf dem rund 480 Meter langen Steg aus Betonelementen gibt es auch mehrere Plattformen mit Bänken und anderen Sitzgelegenheiten. Die Stadt bittet dringend darum, den offiziellen Pfad nicht zu verlassen, um die empfindliche Flora und Fauna nicht zu stören. Zwischen dem Grün liegen rostige Gleise, kaputte Kabeltrommeln und verrottende Bahnschwellen, stehen alte Lampenmasten und Prellböcke. Auf den ersten Blick mag es wie ein Schrottplatz aussehen, doch genau dies macht die Spannung des neuen Parks aus. Damit wirkt er wild und naturnah, vermittelt eine ganz andere Identität als beispielsweise der Ostpark. Natur und Stadtquartier sind kein Gegensatz, sondern finden hier zueinander. Gegenwärtig ist Berg am Laim ein Stadtteil, der noch lange nicht an seinem Ziel angekommen ist. Bleiben wir gespannt!